Freitag, 18. November 2016

Vorgeschichte Kapitel 23

23. Der Besucher mit den mangelnden Manieren

Eilin


Hier saß sie nun, angespannt, unruhig, aufmerksam. Der Sessel war bequem, gut gepolstert und das Klima wie immer ausgesprochen angenehm. Aber das wusste sie ja nun schon länger. Immerhin war sie mittlerweile wirklich schon eine ganze Weile hier. Zu lange für ihren Geschmack. Aber genau genommen waren auch schon ein paar Minuten zu lang wenn man sie in Gefangenschaft verbrachte.
Wie viel Zeit war mittlerweile vergangen? Über eine Woche auf jeden Fall. Vielleicht auch schon zwei oder drei. Sie wusste es nicht genau. Was sie wusste war, dass sie ihre Babys vermisste. Harvey und Daireann. Wenn das so weiter ging, würden die zwei noch ohne sie aufwachsen. Außerdem hatte sie sich endlich mal gewisse Fragen gestellt. Erstens, wo zur Hölle blieb Joel die ganze Zeit und zweitens, wo war eigentlich Lucy? Wobei Ersteres vielleicht sogar ganz gut war... denn es bedeutete, dass er Ren nicht hatte austricksen können. Ihr Plan war also aufgegangen. Aber was Lucy anging...
Sie war ganz offensichtlich nicht hier. Im ersten Moment hatte sie sogar die ernsthafte Befürchtung gehabt Tyson hätte sie umgebracht. Aber als sie ihn ganz entsetzt darauf angesprochen hatte, hatte er nur eine Augenbraue gehoben und sie darauf hingewiesen, dass er die Mutter seiner Tochter nicht einfach töten würde. Angeblich schon allein weil er von seinem Kind nicht gehasst werden wollte falls es das irgendwann herausfand. 
In wie weit sie ihm das glauben konnte war fraglich. Allerdings hatte sie das - glücklicherweise wie sie fand - auch wieder daran erinnert, dass er mit Lucy geschlafen hatte und sie genau aus diesem Grund jetzt in dieser verdammt anstrengenden Situation waren. Sie wäre ganz schön blöd diesen Fehler jetzt selbst zu machen. 
Kurz fiel ihr Blick auf Tysons Lippen, wie sie einfach so weich und voll waren, Worte darüber rollten und seine Zunge sich innerhalb des Mundes bewegte… es war wirklich schwer die Gedanken an ihre Situation aufrecht zu erhalten. Vor allem wenn man sich permanent vorstellte wie seine Zunge wohl schmecken würde. Verdammte Metallfresse. Warum war er so verführerisch?! Er war ein verdammter Schwerverbrecher!



Sie musste sich wohl langsam eingestehen, dass sie ihm längst vollkommen verfallen gewesen wäre wenn sie ihm unter anderen Umständen begegnet wäre. Irgendwie schade dass sie ihn ausgerechnet auf diese Weise hatte kennenlernen müssen...
Schnell schob sie die Gedanken wieder beiseite, konzentrierte sich lieber wieder auf das Wesentliche. Nämlich das Gespräch welches zwischen dem Brünetten und ihrem Besucher stattfand. Er hatte sich als Fjonn vorgestellt.
Zwar war er ausgesprochen freundlich gewesen und hatte ihr sogar ein sehr einladendes Lächeln geschenkt aber irgendetwas an ihm beunruhigte sie. Sie mochte ihn nicht. Er war ihr auf Anhieb unsympathisch. Irgendwie strahlte er etwas Seltsames aus. Sie konnte es nicht recht benennen. Auf jeden Fall aber wollte sie ihm auf keinen Fall jemals allein begegnen oder gar zu nahe kommen. 
Im Gegensatz zu Tyson hatte er etwas an sich was sie abstieß. Und zwar vom ersten Augenblick an.
Nicht dass er eklig oder so gewesen wäre, genau genommen sah er sogar sehr gepflegt und relativ gut aus – von den roten Augenringen und dieser leicht psychopathischen Ausstrahlung mal abgesehen. Nein das war es nicht. Es war irgendetwas an seiner Art, an seinem Charakter. Als würde er irgendeine schlimme Seite von sich verbergen, so tun als wäre er jemand der er nicht wahr.
Ja das war es. Er wirkte einfach irgendwie falsch. Wie ein Schauspieler der so tat als wäre er nett aber in Wirklichkeit ein arrogantes Arsch war. Sie wollte gar nicht wissen was sich hinter Fjonns Fassade der Nettigkeit verbarg. 
Vielleicht würde sie Tyson trotzdem danach fragen sobald der Kerl weg war. 
Besser sie wusste zu viel als zu wenig. Vorausgesetzt natürlich er würde es ihr auch erzählen. Andererseits hatte er ihr sogar nahe gelegt immer ausreichend Abstand zwischen sich und dem Kerl zu halten. Warum auch immer er das getan hatte. Er hatte sogar darauf bestanden, dass sie auf dem Sessel saß und er auf der Seite des Sofas die näher bei ihr war. Also quasi zwischen ihr und ihm. Sehr merkwürdig. 
Deirdre hatte er eingehämmert, dass sie sich auf gar keinen Fall zeigen sollte und nicht nach unten kommen sollte egal was sie hörte. Trotzdem hatte er sie nicht eingeschlossen und ihr stattdessen sogar gesagt wo ein Schlüssel nach draußen war. Für den Fall des Falles. Das war gelinde gesagt... ausgesprochen beunruhigend gewesen.
Dabei hatte er noch gemeint er würde Fjonn schon sehr, sehr lange kennen. Aber vielleicht war ja auch genau das der Grund für seine Vorsicht. Er schien auch nur Sorge um sie und nicht um sich selbst zu haben. Ganz so als wäre sie mehr als offensichtlich in Gefahr. Das gefiel ihr nicht. Es wäre ihr lieber er wäre in Gefahr. 
Ja das war natürlich ein ganz schön egoistischer Gedanke und ein bisschen hatte sie sogar ein schlechtes Gewissen... nicht etwa weil sie Tyson so toll fand oder mochte oder was auch immer, sondern weil er trotz allem ein Mensch war und sie niemandem wünschte in Gefahr zu schweben.
„Eilin? Hörst du zu?“
Von Tysons wie immer amüsiert und leicht spöttisch klingender Frage aus ihren Gedanken gerissen, blickte sie abwechselnd in dessen und das Gesicht Fjonns. Ersterer wirkte auch von der Mimik her deutlich amüsiert, hatte jedoch eine Augenbraue leicht gehoben, während der Blonde mit den Augenringen den Blick aufmerksam und irgendwie seltsam auf Tyson gerichtet hatte.


Das irritierte sie. Aber sie dachte sich nichts weiter dabei, erwiderte nur mit zu Schlitzen verengten Augen und sehr argwöhnisch: „Ja ich höre zu. Aber nur weil dein ‚Freund‘ sagt dass es Lucy gut geht, heißt das noch lange nicht, dass er auch die Wahrheit sagt. Der könnte das mit diesem schwulen Typen ja auch erfunden haben. Wie sagtest du noch gleich dass er heißt? Chase?“
"Chase ja. Fjonn ist kein Freund sondern lediglich ein Bekannter der mir Informationen für dich beschafft hat." 
Sein Blick sagte noch mehr als seine Worte. Offensichtlich gefiel ihm nicht mal der Gedanke den Blonden als Bekannten zu bezeichnen. Für Eilin sah es fast so aus als wäre es ihm lieber überhaupt keinen Kontakt mit dem Kerl zu haben.
Das wurde immer merkwürdiger.
Was aber noch viel merkwürdiger war, war wie der Kerl eine Hand auf Tysons Oberschenkel legte - auffällig weit oben wie Eilin fand - und sich zu ihm rüber beugte, so dass er ihm ebenso auffällig nahe kam. Näher als es normal war - wie Eilin fand.
Tyson wirkte sehr zu ihrer Verwunderung sogar leicht irritiert als er seinen Blick dem Blondschopf mit den Augenringen zuwandte und sich tatsächlich ein wenig zurück - in Richtung der Rothaarigen - lehnte. Wie um wieder etwas mehr Abstand zwischen sich und ihn zu bringen.
"Ich bin fast ein bisschen enttäuscht von dir nicht als Freund bezeichnet zu werden."
Warum hatte seine Stimme so einen seltsamen Unterton?! Eilin war ausgesprochen irritiert. Der Typ war merkwürdig. Sehr merkwürdig. Und unheimlich.


Und so wie sie das sah, fühlte wohl auch der Brünette sich gerade etwas unwohl, blickte kurz auf die Hand auf seinem Oberschenkel, wischte sie mit einer beiläufig Handbewegung beiseite, schüttelte im nächsten Augenblick allerdings auch den irritierten Blick wieder ab. So nach dem Motto "Back to business.".
Diese ganze Situation war seltsam.
"Zeig ihr das Video das du gemacht hast."
Wie er allen Ernstes so tat als hätte dieser Fjonn das gar nicht gesagt und wäre ihm gar nicht so nahe gekommen. Manchmal bewunderte sie es sogar ein wenig wie gut er sich im Griff hatte. Meistens allerdings würde sie ihm dafür am liebsten die Fresse polieren. Einfach nur damit er mal die Beherrschung oder Kontrolle verlor.
Fjonn schmunzelte jedenfalls nur, zog sein Handy hervor und hielt es Eilin hin, damit sie sich das Video angucken konnte.
Das merkwürdige daran war, dass er sich dabei ein wenig umständlich über Tyson beugte, seine Hand wieder auf dessen Oberschenkel, nahe beim Knie stützte um nicht umzufallen. Wieder kam er ihm sehr nahe, stellte dabei sogar relativ viel Körperkontakt her.
Ganz offensichtlich war ihr Entführer davon nun doch wieder sehr irritiert. Hatte sogar unbewusst und mit gerunzelter Stirn die Arme ein wenig gehoben in einer Art verwunderten Abwehrreaktion.
Irgendwie gefiel ihr das. Also Tysons Blick, nicht der Körperkontakt zwischen ihm und Fjonn. Es war so ungewohnt sowas in seinem Gesicht zu sehen. Er hatte sich sonst so gut im Griff. Aber das irritierte ihn wohl wirklich deutlich.
Nun wollte sie sich allerdings auf das Video konzentrieren. Es zeigte Lucy die ausgesprochen verärgert wirkte und eine Zeitung in die Kamera hielt. Sie zeigte das heutige Datum. Das Video musste also irgendwann heute Vormittag aufgenommen worden sein. Tyson bekam die selbe und Eilin hatte sie heute Morgen durchgesehen.
Jedenfalls begann sie dann auch schon zu sprechen, beschimpfe zuerst denjenigen der offensichtlich das Video drehte und im nächsten Augenblick auch schon Tyson. Kurz schmunzelte die junge Mutter sogar als sie die Beleidigungen ihrer Freundin hörte, konzentrierte sich dann aber doch wieder auf den Inhalt der folgenden Worte.
Sie erzählte von Chase, dessen Vater und dass es ihr einigermaßen gut ging. Auch dass Chase offensichtlich ein sehr netter Kerl war und sie gut behandelte. Und das Tyson sich ein Treffen mit seiner Tochter in den Allerwertesten schieben konnte. Danach folgten noch ein paar wüste Beschimpfungen, bis das Video einfach beendet wurde. Kurz hatte sie sogar einen Blick auf den Vater von diesem Chase werfen können.
Er hatte nicht sehr angetan von der Situation gewirkt. Wunderte sie irgendwie nicht. Aber gut, Lucy hatte sich tatsächlich bester Gesundheit erfreut. Das war schon mal beruhigend. Und sie schien wohl auch nicht schlecht behandelt worden zu sein.
Sie wollte sich gerade schon wieder an Tyson wenden, als sie sah wie Fjonn sich nur so halb wieder aufrichtete, dabei mit der Hand wieder, scheinbar unbewusst, etwas höher auf dem Oberschenkel des Mannes rutschte und mit der anderen das Handy wieder wegsteckte.
Nur statt sich wieder von dem sehr irritiert wirkenden Tyson zu entfernen, kam er dessen Gesicht nun sogar wieder deutlich näher und fragte in irgendwie süffisant spöttischer Tonlage:
"Um auf eben nochmal zurückzukommen, wir sind also keine Freunde? Ich fühl mich ein wenig vor den Kopf gestoßen."


Offenbar gefiel Tyson das nicht, auch wenn er nach wie vor eher irritiert als verärgert wirkte. Er lehnte sich ein wenig zurück, wieder in Eilins Richtung und antwortete mit minimal irritierter aber dennoch sehr ruhiger Stimme: 
"Ist das so?"
Direkt auf die Frage antwortete er jedenfalls nicht. Doch so wie sie das sah, war diese ohnehin nur rein rhetorischer Natur gewesen. Fjonn schien sich jedenfalls nicht groß darum zu scheren, folgte Tysons Zurücklehnen stattdessen nur mit seinem Körper und beugte sich fast schon über ihn.
Irgendwie bekam dieses Bild langsam einen sehr zweideutigen Beiklang. Oder vielleicht auch schon einen eindeutigen. Mit gerunzelter Stirn legte Tyson seine Hand auf den Oberkörper seines Gegenüber. Eilin konnte sehen dass sich seine Armmuskulatur anspannte, er also offenbar versuchte ihn wegzuschieben. Außerdem schien er sich noch ausgesprochen unschlüssig zu sein was er von dieser Situation halten sollte.
"Aber vielleicht kann ich dich ja noch umstimmen. Ich hab da ein paar ausgezeichnete Methoden dafür im Kopf."
Hörte die Rothaarige da auch schon mit großen, verwirrten Augen die jetzt irgendwie schmeichelnd und weich klingende Stimme des Blonden. Es jagte ihr einen kalten, ziemlich unangenehmen Schauer über den Rücken. 
Tyson hingegen blieb nach wie vor relativ ruhig, wobei dieses ruhig jedoch eine Mischung aus einem nun wirklich unübersehbar irritierten und mittlerweile auch leicht verdatterten Blick war. Offenbar kam das für ihn ausgesprochen unerwartet. Das wäre fast ein bisschen lustig wenn Eilin diesen Typen nicht so unheimlich gefunden hätte.
"Was soll das heißen?"
Seine Stimme klang kalt und distanziert, irgendwie sogar fast schon abweisend. Als könne er mit ihr allein Metall zerschneiden. Eine Begebenheit die Fjonn aber wohl trotz allem nicht abschreckte. Ganz im Gegenteil durfte Eilin sogar beobachten wie sich ein merkwürdiges, sehr unheimliches Grinsen auf seine Lippen schlich.
Und auch Tysons Versuch ihn abermals von sich wegzudrücken schien vergebens und nicht von Interesse für den Blonden. Oh nein. Absolut nicht. Nun legte er seine andere Hand sogar auf die Schulter des Brünetten - welcher dieser einen kurzen, undeutbaren Blick zugeworfen hatte - und beugte sich dann unerwartet schnell vor um seine Lippen auf die Tysons zu drücken.


Was zur Hölle?!
Eilin war im ersten Augenblick gar nicht wirklich im Stande dazu dieses Bild welches sich ihr gerade bot zu verarbeiten. Hatte dieser seltsame, unheimliche Kerl gerade allen Ernstes ihren Entführer geküsst?!
Das schien wohl nicht nur für sie überraschend gekommen zu sein. Denn Tyson selbst reagierte auch nicht sofort, wirkte sogar fast so als wäre er mitten in seiner Bewegung eingefroren und starrte den Kerl einfach nur stumpf und verständnislos an. 
Fast schon süß. Sie wünschte sie könnte diese Gesichtsentgleisung ein wenig mehr genießen. Aber dafür war das gerade zu seltsam. Und es hielt auch nicht allzu lange an.
Denn als Tyson sich wieder halbwegs fing, lehnte er sich mit einem solchen Ruck zurück, dass er mit dem Genick gegen die Seitenlehne des Sofas knallte.
Das war sicher schmerzhaft. Andererseits war da ja glücklicherweise ein Kissen zwischen Lehne und seinem Genick. Und Tyson war mit den Gedanken wohl gerade ohnehin zu beschäftigt mit dem Kerl der ihm sofort in der Bewegung folgte, die Hand auf seiner Schulter nun dafür nutze ihn unten zu halten und sich abermals über ihn beugte.
Beziehungsweise zu seinem Gesicht herunter. Zu seinen Lippen. Eilin konnte direkt sehen wie er dem vollkommen fassungslos starrendem Tyson mit der Zunge darüber leckte und offensichtlich einen Weg in seinen Mund suchte. Ob der Brünette ihm wohl die Zunge abbeißen würde?
Diese Situation war verstörend. Sie fühlte sich ein bisschen wie ein Spanner. Das war sehr merkwürdig. Sehr, sehr merkwürdig. Der einzige Grund aus dem sie wohl nicht sofort versuchte dem Älteren zu helfen war wahrscheinlich der, dass es einfach irgendwie witzig war wie er die ganze Zeit guckte. Diese Fassungslosigkeit. Diese Gesichtsentgleisungen. Es war so... ungewohnt. Außerdem hatte Tyson es ohnehin nicht besser verdient. War ja bisher auch halb so wild, eine ziemlich dämliche Anmache eben.
Es dauerte tatsächlich auch noch ein paar geschlagene Sekunden bis Tyson sich endlich soweit fing, dass er ernsthaft versuchte etwas zu unternehmen. Sie konnte sehen wie er seine Hand zur Faust spannte und dem Kerl über ihm mit aller Gewalt ins Gesicht schlug.


Nun die Wirkung war leider nicht so berauschend. Also es tat mit Sicherheit höllisch weh, da war die Rothaarige sich sicher und Fjonns Kopf ruckte dabei auch schnell zur Seite, er kippte sogar ein wenig weg. Das war dann aber auch schon alles.
So von unten herauf war es aber wohl auch schwierig so richtig viel Kraft in seinen Schlag zu stecken und sonderlich weit ausholen konnte er ja dank dem Sofa unter sich auch nicht. Die Lippe des Blonden war allerdings trotzdem aufgeplatzt und Eilin konnte sehen wie ein paar Bluttropfen Tyson auf die Wange tröpfelten.
Was etwas beunruhigender war, war das süffisant überlegene Grinsen im Gesicht des... Perversen. Ja das war eine gute Bezeichnung. Der Kerl war definitiv pervers.
"Bist du von allen guten Geistern verlassen?! Nimm deine dreckigen Pfoten von mir wenn du nicht willst dass ich dir das Hirn wegblase!"
Oho. Da wurde aber jemand wütend. Es war das erste Mal dass Eilin das an Tyson sah. Es war... aufregend. Irgendwie. Vor allem weil es so eine unbeherrschte und fassungslose Wut war. Als hätte er die Situation selbst noch gar nicht richtig verarbeitet. Er achtete nicht einmal auf seine Wortwahl so wie sonst immer!
Seine Stimme hatte zwar so eiskalt geklungen als könne er damit die Hölle zufrieren aber es war doch ein deutlich unbeherrschter Unterton darin mitgeschwungen. Es war offensichtlich dass das eine für ihn vollkommen unerwartete und vor allem unbekannte Situation war.
"Wenn du das mit deiner Faust vorhattest muss ich leider sagen dass du dafür ein bisschen mehr Kraft investieren müsstest."
Erklang die spöttische, höchst erfreute Stimme des Kerls, während er einfach fröhlich weiter flötete.
"Aber ich finde es ja ohnehin sehr viel erregender wenn 'sie' sich wehren~ Mhhh~"
Eilin war verstört. Der wollte doch nicht wirklich hier vor ihren Augen...? War das sein Ernst? War der Kerl etwa ein Vergewaltiger oder was?! Das war also nicht irgendein dummer Witz oder eine ziemlich bescheuerte und gefährliche Anmache?! Nach wie vor war sie nicht im Stande dazu irgendwie zu reagieren. Es ging alles zu schnell, war zu plötzlich und unerwartet gekommen.
Selbst Tyson hatte noch immer nicht vollständig zu seiner Beherrschung zurück gefunden. Ganz im Gegenteil schien er sogar richtig außer sich zu sein, starrte fassungslos und vollkommen irritiert in das Gesicht des Kerls.
Zumindest solange bis dieser mit der Hand die er auf seinem Oberschenkel platziert hatte, nach oben wanderte, unter das dunkle Shirt Tysons glitt und sich offenbar zur Aufgabe gemacht hatte ihn zu betatschen. Also zumindest sah es für Eilin nach betatschen aus. Aber warum sollte er seine Hand auch sonst unter Tysons Shirt schieben.


Das war dann aber wohl der Moment der den Brünetten wieder etwas klarer zu Verstand brachte. Oder zumindest zu weiterem Handeln bewegte. Sie konnte sehen wie seine rechte Hand nach der Pistole greifen wollte die er sich vor dem Treffen hinten in den Gürtel geschoben hatte.
Das Problem daran war nur, dass er mittlerweile ja auf dem Rücken lag und dass auf eine etwas verdrehte Weise, die Beine beide nicht so wirklich auf dem Sofa. Es war also schwierig an die Waffe ranzukommen. Vor allem wenn es unauffällig sein sollte.
Fjonn jedenfalls bemerkte, dass Tyson irgendetwas vorhatte, zog seine Hand wieder unter dem Shirt zurück und packte das Handgelenk des Brünetten.
"Tss Tss Tss, was sollte das denn gerade werden?"
Tadelte er ihn in einem leicht psychopathisch klingenden, amüsierten Tonfall und schob Tysons Handgelenk über dessen Kopf und zu der Hand mit der er seine Schulter nach unten gedrückt hielt. Nur um es mit dieser Hand dann zu packen und ihn weiterhin grob festzuhalten. Sie hatte gesehen, dass der Ältere sich dagegen gestemmt hatte, seine Muskeln im Arm und Hals waren überdeutlich angespannt gewesen, geholfen hatte es ihm allerdings nicht. Es war aber für ihn wohl auch ein deutlich unvorteilhafter Winkel um sonderlich viel Kraft in seinen Arm zu bringen.
Diese Situation wurde immer seltsamer und langsam schlich sich so etwas wie Panik in Eilins innerstes. Sie wusste nicht was sie tun oder wie sie reagieren sollte. Sie fühlte sich als wäre sie einfach an ihrer Position festgefroren. Es war alles einfach so unglaublich seltsam und beängstigend.
Tysons Gesichtsausdruck hatte sich durch die Aktion und die Worte Fjonns mittlerweile stark verdunkelt. Aber nicht nur das, wenn sie sich nicht ganz arg täuschte, konnte sie langsam so etwas wie milde Beunruhigung in seinen Augen feststellen. Milde Beunruhigung... wäre sie an seiner Stelle wäre es längst ausgewachsene Panik. 
Auf jeden Fall schien Fjonn den Blick sehr zu genießen, beugte sich mit dem Kopf wieder zu Tyson herunter und biss, dem Zischen des Brünetten nach zu urteilen, ziemlich fest in seinen Hals.
Wobei er es natürlich nicht beließ. Oh nein. Seine Hand mit der er eben noch sein Opfer davon abgehalten hatte nach der Pistole zu greifen, widmete sich nun wieder Tysons Körper, glitt langsam über dessen Seite, zur Hüfte und wanderte auf die Innenseite seines linken Oberschenkels.


Oh Gott... sie... sie musste wirklich irgendetwas unternehmen. Aber was? Was sollte sie machen? Die Möglichkeit zur Flucht nutzen? Tyson helfen? Sie konnte doch nicht zulassen, dass jemand in ihrem Wissen vergewaltigt wurde! Sie wusste nicht, ob sie das mit ihrem Gewissen vereinbaren könnte... Aber was zur Hölle sollte sie tun?! Gab es hier irgendetwas was sie ihm auf den Kopf schlagen konnte? Irgendwas Hartes?! 
Ruckartig und alles andere wie sanft verfrachtete Fjonn das linke Bein Tysons nun auf das Sofa, so unter seinem eigenen Körper durch, dass er es sich zwischen den Beinen des Brünetten bequem machen konnte. 
Was für ein Glück dass der seine Hosen noch an hatte.
Als wäre der Gedanke das Stichwort gewesen, glitt Fjonns Hand nun allen Ernstes zu Tysons Hosenbund, öffnete geschickt Gürtel und Knopf und rutschte noch ein gutes Stück weit darunter um sich offenbar in Richtung eines ganz gewissen Bereichs zu begeben.
Das einzige Problem - oder vielleicht eher das Glück für Tyson - an der Sache war nur, dass der brünette Verbrecher, nun wo er nicht mehr ganz so unpraktisch verdreht auf dem Sofa lag, es leichter hatte mit der freien, linken Hand an die Waffe zu gelangen.
Mit einer blitzschnellen Bewegung hatte er die Pistole aus seinem Gürtel gezogen, sie entsichert und dem Kerl frontal gegen die Stirn gedrückt. Seine Stimme, nach wie vor von Fassungslosigkeit und mittlerweile auch brennendem Zorn gezeichnet, klang schneidend und kalt wie eine Rasierklinge aus Eis als er in gefährlich drohender Tonlage zischte.
"Es reicht."


Kurz hielt der Blonde tatsächlich mitten in der Bewegung inne, schien abzuwägen wie ernst Tyson seine Drohung wohl meinen könnte. Seine Antwort jagte Eilin einen eisigen Schauer über den Rücken.
"Als ob die Pistole geladen wäre. Du bluffst doch."
Ganz am Anfang war die Szene ja noch ganz lustig gewesen aber mittlerweile fand sie das alles einfach nur noch beängstigend. Wenn der Kerl gerade wirklich ernsthaft vorhatte Tyson vor ihren Augen zu vergewaltigen - allein der Gedanke dass ausgerechnet Tyson sowas passieren könnte verstörte sie schon ein wenig aber dann auch noch vor ihren Augen?! - dann war das nicht einmal nur beängstigend, sondern auf eine kranke Weise auch noch ausgesprochen verstörend. Hoffentlich stand der nur auf Männer.
Sollte die Pistole wirklich nicht geladen sein - wie bei ihrem ersten Treffen mit Tyson - dann würde sie dem Mann selbstverständlich versuchen zu helfen, sie sah sich sogar bereits ein weiteres Mal nach einem harten, schweren Gegenstand um. Da konnte Tyson noch so ein böser verbrecherischer Entführer und Erpresser sein, sowas wünschte sie niemandem und da könnte sie auch nicht tatenlos zusehen. 
Mal ganz davon abgesehen, dass sie das ganz allgemein nicht sehen wollte und Angst hatte, dass sie am Ende als nächste dran wäre...
Zu ihrer Überraschung brachten Fjonns Worte Tyson jedoch nicht eine Sekunde aus der 'Ruhe'. Statt allerdings etwas zu erwidern, drückte er die Pistolenmündung nun mit einem eisigen Blick auf die Schulter des Kerls und drückte ohne das geringste Zögern ab.
Ein ohrenbetäubender Knall, dicht gefolgt von einem schmerzerfüllten Aufschrei und spritzendem Blut, erfüllten den Raum, ließen Eilin voller Entsetzen und Erschrecken rückwärts von ihrem Sessel springen.


Augenblicklich fand die Pistolenmündung ihren Weg zurück auf Fjonns Stirn, der zwar zurückgewichen war aber nach wie vor zwischen Tysons Beinen saß. Sein Blick war schmerzverzerrt als er ganz offensichtlich fassungslos über die Tat des Brünetten ausrief:
"Fuck du hast gerade ernsthaft in meine Schulter geschossen!"
"Wenn du nicht augenblicklich deine scheiß Finger von mir nimmst ist dein Kopf als nächstes dran."
Wieder diese Kälte in seiner Stimme und Eilin - die gelinde gesagt vollkommen entsetzt war - zweifelte keine Sekunde daran wie ernst der Ältere das meinte. Es war ihr ein Rätsel wie Fjonn daraufhin noch immer so ruhig - naja bis auf das schmerzerfüllte Stöhnen - bleiben konnte und sich so VERDAMMT LANGSAM von ihm runter bewegte. Sie wäre wahrscheinlich aufgesprungen und aus dem verdammten Zimmer gerannt!
Naja gut, sie würde schon mal gar nicht erst in so eine Situation kommen, weil sie kein schwuler - oder bisexueller - Mann war der ganz offensichtlich gerne allem Anschein nach heterosexuelle Verbrecher vergewaltigte. Aber zumindest war ihr jetzt klar welche Seite von sich er hinter der netten Fassade verbarg. 
Den perversen, homo- oder bisexuellen Vergewaltiger. 
Traumhaft. 
Nicht.
Aber wie auch immer. Fjonn bewegte sich nicht nur langsam, nein, er bemühte sich allem Anschein nach auch noch darum Tyson so unauffällig und 'unbewusst' wie möglich noch die Fingerspitzen über die Haut unter dem Stoff der Hose streichen zu lassen. So ausgiebig er konnte.
Sie konnte ganz genau sehen wie sie sich darunter abzeichneten. Und Tyson bemerkte es mehr als deutlich auch, denn er sah aus als würde es ihn alles an Beherrschung kosten den Blonden nicht tatsächlich augenblicklich zu erschießen.
Sie war erstaunt dass er es nicht tat.
Und noch erstaunter war sie, dass Fjonn sich allen Ernstes traute noch etwas auf Tysons Drohung zu erwidern.
"Ich würde das ja glatt als Diskriminierung werten. Mir in die Schulter zu schießen weil ich dich ein bisschen angebaggert habe. Du bist doch nicht etwa ein Schwulenfeind?"
War das sein Ernst? Eilin konnte gar nicht glauben was sie da hörte. Tyson hatte sich da schon besser im Griff, stieß Fjonn nun mit seinem Knie endgültig von sich und zielte nach wie vor auf dessen Stirn während er eisig zischte:
"Ich habe dir nicht in die Schulter geschossen weil du mich 'angebaggert' hast sondern weil du versucht hast mich zu vergewaltigen."
"Und das soll ich dir jetzt glauben?"
"Schluss damit Fjonn."
"Wie wäre es wenn du mir deine Pistole geben würdest und wir klären das wie richtige Männer."
Eilin war verstört und verwirrt. Und nach wie vor entsetzt. Das war doch krank. Der Kerl versuchte sogar allen Ernstes nach der Pistole zu greifen.
Sie konnte regelrecht sehen wie Tysons Geduldsfaden langsam aber sicher gefährlich nahe an den Punkt gelangte an dem er wohl reißen würde. Fjonn hatte auch sehr schnell den Lauf wieder direkt auf die Stirn gedrückt.
"Runter mit der Hand."
"In deinen Schritt?"
"Das ist die letzte Warnung."
Es war unmissverständlich wie ernst Tyson diese Worte meinte und der Blondschopf sah wohl auch ein, dass der Versuch die Warnung auszureizen ihn das Leben kosten würde.
Gott sei Dank. Eilin war sich nicht sicher ob sie es ertragen hätte zu sehen wie ein Mensch erschossen wurde. Selbst wenn es ein ekelhafter, kranker Vergewaltiger war. Ein Mensch war ein Mensch. Ein Leben war ein Leben.
Jedenfalls zog er sich nun endgültig zurück, rutschte sogar mit einem enttäuschten aber nach wie vor von Schmerz untermalten Laut ein kleines Stück zur Seite. Die Pistole senkte Tyson trotzdem nicht. Wahrscheinlich aus Vorsicht. Sie konnte es nachvollziehen und war froh darüber. 
Ein kurzes angespanntes Zögern des Brünetten folgte, als er auch schon mit eisiger Miene befahl:
"Mach den Knopf und den Gürtel wieder zu."


Was... war das sein Ernst? Die Rothaarige fühlte sich als wäre sie im falschen Film. Sollte das jetzt irgendein komisches sexuelles Balzverhalten sein oder so? Wollte er zeigen wer hier der männlichere war?! Das Funkeln in Fjonns Augen sprach jedenfalls dafür, dass es nicht beim schließen des Knopfes und Gürtels bleiben würde.
"Solltest du mich dabei auf irgendeine Weise, ob bewusst oder unbewusst, berühren hast du eine Kugel im Kopf."
In seinen Augen lag ein Ausdruck der mehr als nur eindeutig klar machte, dass er diese Worte nicht nur ernst meinte, sondern fast schon zu hoffen schien der Blonde würde ihm einen Grund liefern die Drohung wahrzumachen.
Ein eisiger Schauder lief Eilin bei dem Gedanken über den Rücken und sie hoffte inständig, dass sie das nicht mitansehen würde müssen.
"Ich bin verletzt, mit einer Hand kann ich Knopf und Gürtel nicht schließen ohne dich 'anzufassen'."
"Ist mir scheißegal."
"Ich habe Schmerzen."
"Die wirst du wohl ertragen müssen."
"Und wenn ich zucke und dich irgendwo berühre tötest du mich? Wie soll ich das denn bitte schaffen?!"
"Da hättest du besser vorher drüber nachgedacht."
Eilin war nachwievor verstört. Warum zur Hölle zwang Tyson ihn dazu ihm Hose und Gürtel wieder zu schließen?! Er hatte doch selbst zwei... achso. Nein. Er hatte natürlich nur eine Hand frei und mit einer wäre es wohl etwas schwierig Knopf und Gürtel zu schließen ohne sich dabei vielleicht etwas zu sehr ablenken zu lassen...
Erstaunlicherweise erwiderte Fjonn nun nichts mehr darauf, funkelte den Brünetten nur kurz auf eine sehr merkwürdige Weise an und nahm dann mit schmerzverzerrtem Gesicht beide Hände zur Hilfe um sichtlich mühsam erst den Knopf und dann mit zusammengebissenen Zähnen noch den Gürtel zu schließen. Ihr Entführer wirkte dabei ausgesprochen angespannt und seine Augen sprühten nur so vor verärgerter aber ruhiger Aufmerksamkeit. Er wirkte als würde er jede Sekunde abdrücken und wartete nur darauf dass der Blonde einen Fehler beging.
Tat er aber glücklicherweise nicht und entfernte sich dann mit schweißbedeckter Stirn und schwer atmend wieder. Das hatte ihn wohl ziemlich fertig gemacht. Sie konnte jetzt nicht sagen dass er es nicht irgendwie verdient hätte... und der Brünette hatte wohl nicht mit offener Hose zur Tür laufen wollen. Mittlerweile konnte sie sich sogar schon vorstellen was das für Nachteile hätte haben können, am Ende wäre sie ihm vielleicht noch runtergerutscht, hätte ihn abgelenkt dabei und Fjonn hätte ihm die Waffe abgenommen. Das wäre wohl ziemlich fatal gewesen.
"Und jetzt verpiss dich. Wir klären das ein anderes Mal."
Der Blick den Tyson auf diese Worte erhielt, war irgendwie beunruhigend. Für Eilin sah es wie ein unterschwelliges Versprechen auf 'Rache' oder etwas in der Art aus. Ob Tyson es auch bemerkte? Es war nur so ein ganz sachtes unheilverkündendes Funkeln... beunruhigend.


"Na schön."
Selbstverständlich wurde er von Tyson, noch aus der Tür und dem Haus geleitet, die Pistole permanent auf seinen Kopf gerichtet. Eine wahrscheinlich berechtigte Vorsichtsmaßnahme wie Eilin sich innerlich dachte. 
Leise folgte sie den Beiden, überlegte für einen Augenblick ob sie einfach nach draußen und davon rennen sollte, verwarf den Gedanken allerdings sofort wieder. Erstens wollte sie auf gar keinen Fall alleine draußen mit Fjonn sein und zweitens würde sie Deirdre hier auf keinen Fall allein zurücklassen. Stattdessen starrte sie nun also auf die Waffe in Tysons Hand und durfte beobachten wie er ganz deutlich mehr als erleichtert ausatmete. So so... das hatte ihm ja so wie es aussah tatsächlich zugesetzt. Aber das war auch kein Wunder. Es wäre seltsam gewesen wenn nicht.
Er sicherte die Waffe, entleerte das Magazin und steckte sich die Patronen vorerst in die Hosentasche und die Pistole wieder hinten in den Gürtel, wollte sich umwenden und stieß dann versehentlich direkt gegen Eilin, die ja hinter ihm gestanden hatte.
Der war ja wirklich ganz schön durch den Wind. Sein Blick war richtig irritiert als er in ihr Gesicht sah. So als wüsste er gerade nicht wie er reagieren sollte. Sie konnte sehen, dass er die Irritation und die Fassungslosigkeit über die Situation von eben noch nicht ganz überwunden hatte.
Ob sie wohl Mitleid mit ihm haben sollte? Sowas hatte schließlich niemand verdient. Ja natürlich, er hatte sich ganz gut selbst wehren und retten können und es war jetzt auch nicht bis zum Äußersten gekommen aber dass es nicht ganz spurlos an ihm vorüber gegangen war, zeigte doch schon allein dieser Blick.
Sie kam nicht umhin sich abermals zu wünschen, sie hätte ihn unter anderen Umständen kennengelernt. Sie hätte ihn definitiv gemocht. Klar, sie mochte ihn irgendwie auch jetzt schon, weil er trotzdem so war wie er eben war. Aber sie hätte wohl deutlich mehr Sympathie für ihn entwickelt, wenn er sie und ihre Tochter nicht entführt hätte und gefangen halten würde.
Ein klein wenig Mitleid hatte sie aber wohl doch für ihn übrig. Sie war einfach der Meinung das kein Mensch sowas verdient hatte. Das war wohl auch der Grund aus dem sie ihm nun einfach mal so begann den Kopf tröstlich zu tätscheln.


"Was... soll das werden wenn es fertig ist?"
Hörte sie seine irritiert klingende Stimme, erwiderte in beruhigender, sanfter Tonlage: "Na ich tröste dich!"
Das schien ihn sogar noch mehr zu irritieren wenn sie das richtig in seinem Gesicht las. Irgendwie war das... lustig. Sie sollte sich nicht über sein Leid amüsieren. Trotzdem tat sie es ein klein wenig.
Leider schien Tyson recht schnell wieder zu seiner Selbstbeherrschung zurückzufinden, schlang die Arme um ihren Hals und erwiderte nun wieder amüsiert grinsend: "So? Wie wäre es mit einem tröstlichen Kuss? Mit allem drum und dran."
Das hätte er wohl gerne.
"So voll ist die Mitleidsdose nicht."
"Zu schade."
Einen Augenblick schwieg sie, stellte dann aber doch eine ganz bestimmte Frage, die ihr seit er die Pistole verwendet hatte bereits auf der Zunge brannte.
"Warum war die Pistole geladen? Damals bei mir war sie es nicht."
"Weil Fjonn gefährlich ist."
"Aber was wäre gewesen wenn er dich überrumpelt und dir die Pistole abgenommen hätte? Die Befürchtung hattest du doch damals auch bei mir und hast sie deswegen ungeladen mitgenommen."
Sie war überrascht ein mehr oder weniger amüsiertes Grinsen in seinem Gesicht zu sehen als er ruhig antwortete.
"Ich wollte ausprobieren wie du reagieren würdest wenn du denkst du könntest mir die Waffe abnehmen. Und was du machen würdest wenn du sie hast."
Er hatte also mit ihr gespielt. Aber das tat er ja die ganze Zeit schon.
"Und was ist wenn Joel dir die Waffe abgenommen und versucht hätte dich zu überwältigen?"
Ein Schulterzucken folgte. Seine Stimme klang sehr ruhig, vielleicht auch ein wenig amüsiert.
"Mit Joel wäre ich auch ohne Waffe leicht fertig geworden. Er ist nicht so stark wie er tut, außerdem ist er ein Feigling der versucht jedem Konflikt aus dem Weg zugehen."


Nun, das beschrieb den Rothaarigen tatsächlich ziemlich gut. Und das konnte sie sogar sagen obwohl sie ihn ja nur die Hälfte ihrer 'Beziehung' über gesehen hatte. Warf irgendwie ein ziemlich trauriges Bild auf ihn. 
Aber das konnte ihr mittlerweile ja egal sein. Sie und Joel, damit war es vorbei. Endgültig.
"Und diesen Fjonn hättest du nicht ohne Waffe überwältigen können?"
Da Tyson nicht sofort antwortete, löste sich die Rothaarige nun wieder aus dem Griff des Älteren und studierte sein Gesicht, konnte beobachten wie er offenbar ganz genau über ihre Frage nachdachte.
"Schwer zu sagen. In der Position in der ich vorhin gewesen bin wäre es auf jeden Fall schwer geworden. Ich hatte nicht damit gerechnet dass er ausgerechnet mich anfallen würde. Ich wusste dass er gefährlich ist was das angeht aber ich hätte eher damit gerechnet dass er versuchen würde dich anzufassen."
"Und warum hast du dir das Video dann nicht einfach schicken oder dir das Handy geben lassen statt mich in Gefahr zu bringen?"
"Weil er es partout selbst zeigen wollte. Es war seine Bedingung. Und du hast mir auch keine Wahl gelassen."
Nun, da hatte er wohl Recht. 
Vielleicht hätte sie ihm dazu auch noch mehr Fragen stellen können, allerdings hatte sie von dem Thema erstmal genug. Das was momentan für sie von Bedeutung war, hatte sie ja bereits in Erfahrung gebracht. 
Jetzt wollte sie erstmal nach Deirdre sehen, schloss rasch zu dem mittlerweile die Treppen hinauf steigenden Tyson auf und rief ruhig nach ihrer Tochter.
Antwort erhielt sie jedoch keine.
Irritiert runzelte sie die Stirn, warf einen vorsichtigen Blick in Richtung des Brünetten. Er wirkte nachdenklich. Abermals rief sie nach ihrer Tochter, sah sich um und bemerkte nur aus dem Augenwinkel wie der Brünette etwas von dem kleinen Schränkchen neben der Tür zu seinem Büro aufhob.


Gerade als sie gucken wollte ob ihr kleines Mädchen sich vielleicht in Tysons Schlafzimmer verzogen hatte, bemerkte sie wie die Mundwinkel des Mannes kaum merklich nach oben zuckten. Ganz so als wäre er amüsiert und würde es nicht zeigen wollen. Was sollte das?
Sie kam nicht dazu eine entsprechende Frage zu stellen, bekam nun stattdessen einfach wortlos den Zettel den er gerade durchgelesen hatte hingehalten. Mit gerunzelter Stirn nahm sie ihn in die Hände und begann zu lesen. Er war in der Handschrift ihrer Tochter verfasst.

Lieber Mr. Verbrecher, 
falls du diesen Zettel vor meiner Mommy finden solltest (Womit ich fast schon rechne) wäre ich dir tunlichst verbunden wenn du ihn denn bitte an sie weiterreichen würdest nachdem du ihn gelesen hast. Vielen herzlichen Dank.
Ich habe mich selbstverständlich nicht an die Anweisungen von Mr. Verbrecher gehalten, gehe allerdings davon aus, dass ihm das klar war. Wenn nicht, nun, dann sollte er das nächste Mal vielleicht ein bisschen länger über seine Handlungen nachdenken. 
Wie dem auch sei, ich habe mir den Schlüssel genommen, mich nach unten geschlichen und bin abgehauen. Überraschung.
Du musst dir natürlich keine Sorgen um mich machen Mommy, ich weiß genau wo ich hin kann und sicher bin. Ich werde also nicht auf der Straße leben oder alleine in unserem Haus herum lungern müssen.
Natürlich wäre ich lieber bei dir geblieben um dich zu beschützen und dir Tipps zu geben aber ich habe es als intelligenter befunden mich klammheimlich aus dem Staub zu machen. So hat der liebe Mr. Verbrecher ein Druckmittel weniger und ich habe mehr Möglichkeiten meine äußerst ausgetüftelten Pläne zu entwickeln und in die Tat umzusetzen.
Also Mommy, Kopf hoch. Wir schaukeln das Pferd schon.

In viel Liebe,
deine raffinierte Tochter. ***

PS: Für dich gibt es leider nicht viel Liebe Mr. Verbrecher, da du uns unvernünftigerweise entführt hast. Da ich dich aber trotzdem sehr gern hab, bekommst du zumindest ein einsames kleines Herzchen statt drei Küsschen. Denk mal darüber nach und schäme dich über deine Taten junger Mann! <3

"..............."
Eilin brauchte länger als erwartet um den Inhalt des Briefes zu verarbeiten. Sie starrte ihn eine geschlagene Minute einfach nur schweigend und mit stumpfem Blick an. 
'Mr. Verbrecher' hingegen, schien sich köstlich zu amüsieren. Was in Anbetracht der Situation ein bisschen fehl am Platz wirkte. War er nicht wütend eine seiner Geiseln verloren zu haben? Also nicht dass es Eilin gestört hätte... genau genommen hielt sie es sogar für eine außerordentlich positive Entwicklung!
Allerdings... war sie dadurch jetzt allein hier mit Tyson. Vollkommen allein. Sie biss sich unsicher auf die Lippe, wusste nicht was sie tun sollte und starrte nun wieder in das belustigte Gesicht des Verbrechers.
"Wie... warum... willst du ihr nicht sofort nach um sie zurückzuholen?"


Versuchte sie irgendwie ihre Gedanken zu ordnen und seine Reaktion nachzuvollziehen. Tyson allerdings zuckte nur mit den Achseln, erwiderte gelassen:
"Nein. Sollte ich? Wenn du es möchtest können wir sie gerne suchen gehen."
"... nein... aber... du wirkst... ganz schön gelassen..."
"Wäre es dir lieber ich würde mich aufregen?"
"Ich finde es nur seltsam... ich meine... wofür hast du sie überhaupt entführt wenn du sie einfach bei der ersten Gelegenheit flüchten lässt? Also versteh mich nicht falsch, ich bin sehr froh dass sie abhauen konnte. Aber ich verstehe deine Reaktion nicht."
Ruhig nahm der Mann ihr den Zettel aus der Hand, warf noch einmal einen kurzen Blick darauf und legte ihn schließlich belustigt schmunzelnd wieder auf das kleine, modische Schränkchen neben der Tür. 
Erst als er das erledigt hatte strich er sich mit der Hand so über den Nacken als hätte er Schmerzen - was sie nach der Aktion vorhin nicht wundern würde - und erwiderte sehr ruhig aber nach wie vor schmunzelnd:
"Ich hatte nie vor sie zu entführen. Sie ist von sich aus zu mir gekommen, hat mich mit meiner eigenen Pistole bedroht und mein Wohnzimmer durchsucht wie irgendein Geheimagent. Ich hätte sie natürlich auch Nachhause schicken können aber weshalb hätte ich das tun sollen statt die Möglichkeiten zu nutzen die sie mir dadurch auf dem Silbertablett serviert hat?"
Deirdre hatte ihn mit einer verdammten Pistole bedroht?! Das erklärte allerdings auch seine Aussage bei ihrem ersten Aufeinandertreffen... als sie selbst ihm die Pistole abgenommen und ihn bedroht hatte. Trotzdem war sie schockiert über die Abgebrühtheit ihrer Tochter.
"Aber... sie... sie wusste doch sicher nicht mal wie man die Pistole verwendet und außerdem ist sie noch ein Kind!"
"Sie wusste sehr genau wie man sie verwendet. Außerdem ist sie intelligenter als die meisten Erwachsenen die ich kenne."
Diese ganze Situation gerade war so unglaublich merkwürdig. Eilin wusste überhaupt nicht was sie davon halten sollte. Sie wusste nicht wie sie mit dieser Entwicklung umgehen sollte. Sie wusste gerade überhaupt nichts mehr.
"Aber... aber sie ist doch... trotzdem ein Kind..."
Stammelte die Rothaarige nun, nach wie vor irritiert über seine Reaktion.
Abermals zuckte er mit den Achseln, blieb unangebracht gelassen während er mit ihr sprach.
"Mag sein. Trotzdem hat sie mir eine Möglichkeit geboten an meine Tochter zu kommen die ich nicht ausschlagen wollte. Hättest du anders gehandelt wenn Joel dir deine Tochter nicht geben wollen würde?"
Was... was war das für eine Frage? Das war etwas vollkommen anderes! Außerdem war sie keine Verbrecherin... Offensichtlich standen ihr diese Worte deutlich ins Gesicht geschrieben, denn Tyson antwortete noch bevor sie dazu kam etwas zu sagen.
"Du glaubst wirklich es wäre etwas anderes? Weil ich ein Verbrecher bin und du nicht? Joel ist ebenfalls ein Verbrecher, wenn auch nicht gerade ein sonderlich guter."


"Aber... ich bin kein Verbrecher... also die Situation wäre ja dann so als wäre ich an Lucys Stelle..."
"Lucy ist ebenfalls in der Verbrecher Branche tätig, sonst hätte sie gar nicht erst die Möglichkeit gehabt in Kontakt mit mir zu treten."
"Ich würde aber kein Kind entführen..."
"Ich habe sie auch nur entführt weil sie sich mir freiwillig fast schon vorgeworfen hat."
"Trotzdem hätte ich es nicht getan..."
Zur Antwort bekam sie nur ein Augenrollen und ein direkt darauffolgendes Achselzucken, während er in ruhiger Tonlage erwiderte.
"Bist du dir da so sicher? Wenn es um das Wohlbefinden deiner Tochter ginge und du dir sicher wärst, dass sie bei dir besser aufgehoben wäre? Wenn irgendein fremdes Kind, zu dem du keinerlei emotionale Bindung hast dass dir aber dabei helfen könnte deine Tochter zurückzubekommen, plötzlich bei dir einbrechen und dich bedrohen würde?"
Es war schwierig darauf zu antworten. Eilin wusste nicht ob die Antwort darauf wirklich ein ja war. Natürlich, wenn sie logisch darüber nachdachte, würde sie behaupten sowas niemals zu tun. Immerhin konnte doch das Kind nichts für die Probleme seiner Eltern.
Sie hatte ja auch Shereena nicht herausgerückt um an Deirdre wieder ranzukommen. Wiedermal schien Tyson ihr die Gedanken vom Gesicht abzulesen als er resignierend seufzend erwiderte:
"Genau genommen sind wir sogar in fast der gleichen Situation. Du nutzt Shereena ebenfalls als Druckmittel gegen mich. Was hast du noch gleich gesagt? Wenn ich Deirdre und Lucy nicht freilasse werde ich Shereena niemals auch nur zu Gesicht bekommen."
"Das ist etwas vollkommen anderes!"
"Warum? Was ist so anders daran?"
"Naja weil du sie Lucy wegnehmen willst."
"Aber sie darf sie mir wegnehmen?"


Eilin wusste nicht was sie darauf erwidern sollte. Sie wusste nicht wie genau die Situation zwischen Tyson und Lucy gewesen war. Genau genommen hatte sie einfach angenommen, dass Tyson sie ihr hatte wegnehmen wollen und Lucy hier das einzige Opfer war. Ganz einfach weil sie eben ihre Freundin war. Andererseits war Tyson sicher kein 'Opfer' in dem Sinne... und überhaupt war er ein krimineller Verbrecher. Wobei Lucy das ja eigentlich auch war...
"Aber... du kannst doch einer Mutter ihr Kind nicht wegnehmen..." 
Der Brünette hob leicht eine Augenbraue, mustere Eilin wenige Herzschläge schweigend und stellte schließlich in ruhiger Tonlage klar: 
"Ich habe Lucy gesagt, dass Shereena für sie nicht unerreichbar wäre nur weil sie bei mir lebt. Sie hätte sie jederzeit sehen können. Ihr 'Argument' dagegen war, dass ich nur mit ihr gespielt habe und sie nicht auch bei mir leben hätte dürfen. Sie hat mir meine Tochter nur aufgrund ihrer verletzten Gefühle und ihres verletzten Stolzes vorenthalten. Und das obwohl ich nicht eine Sekunde auch nur andeutungsweise irgendwie suggeriert hätte Gefühle für sie zu haben. Sie wusste, dass das zwischen uns rein körperlich war."
Eilin biss sich auf die Lippe, dachte über die Aussage nach. Wenn das stimmte, warf es doch ein etwas anderes Licht auf die Sache. Trotzdem würde sie ihre Freundin niemals hintergehen und Tyson das kleine Mädchen überlassen. Außerdem...
"Woher soll ich wissen, dass das die Wahrheit ist?"
"Warum sollte ich lügen?"
Zweifelnd hob Eilin beide ihrer Augenbrauen und warf dem Verbrecher einen Blick zu als wäre das die dümmste Frage die sie jemals gehört hatte. War es auch. Mal ganz im Ernst, er hatte mehr als genug Gründe in der Hinsicht zu lügen.
Vielleicht war das auch der Grund aus dem er abermals seufzte, sich mit einer Hand durchs Haar strich und kopfschüttelnd erwiderte:
"Du hast Recht, es hätte augenscheinlich erstmal einige Vorteile. Langfristig betrachtet allerdings würde es mir mehr Ärger als Nutzen bringen. Wenn du nichts zu verbergen hast, gibt es auch nichts mit dessen Enthüllung irgendjemand dich unter Druck setzen oder erpressen kann. Mal ganz davon abgesehen, dass du Lucy genauso wenig glauben kannst. Ich weiß nicht wie ehrlich sie zu dir war, allerdings weiß ich dass sie dich fast fünf Jahre lang hat glauben lassen sie wäre tot. Und sie hatte die Möglichkeit zu dir zu kommen, sie wollte es schlichtweg nicht."


Das tat weh. Zumal Eilin sich durchaus vorstellen konnte dass er Recht hatte. Sie hatte sich die Frage tatsächlich selbst schon das ein oder andere Mal gestellt... andererseits hatten sie eigentlich vor diesem Unfall keine sonderlich tiefe Bindung zueinander gehabt also warum hätte Lucy sich früher melden sollen? 
Ein Seufzen rollte ihr über die Lippen. Sie wollte nicht mehr darüber reden. Vielleicht ein andermal aber im Augenblick hatte sie genug. Ihre Tochter war frei, das war momentan das wichtigste. Und Tyson hatte auch nicht vor sie wieder 'einzufangen', was für Eilin ebenfalls beruhigend war.
Heute war einfach zu viel passiert. Sie fühlte sich ausgelaugt und wollte einfach nur schlafen. Abermals seufzte sie, strich sich mit der Hand über das Gesicht und murmelte schließlich erschöpft:
"Ich hoffe Deirdre weiß wirklich wohin sie gehen kann...."
"Sie weiß wo ihr Vater lebt, ich habe ein paar mal mit ihr darüber gesprochen."
Aha? Einen Augenblick starrte Eilin den Verbrecher wieder verdattert an, verwarf die Frage die ihr dabei auf der Zunge lag dann allerdings doch wieder. Nein sie hatte wirklich erstmal genug davon. Deirdre würde es gut gehen und das war vorerst mal das wichtigste.
"Ich leg mich schlafen..."
"Tu das."
War die amüsierte Antwort. Er schnipste ihr sogar nochmal kurz spielerisch gegen das Ohr bevor er ansonsten wortlos an ihr vorbei und die Treppe nach unten schlenderte. Ein wenig verärgert rieb sie sich über die 'schmerzende' Stelle, warf ihm einen erbosten Blick hinterher und verzog sich dann in sein Schlafzimmer. Jetzt musste sie nur selbst auch noch einen Weg hier raus finden.




Verwendete, neue Sims:
Fjonn Terell von Glaskatze

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