Dienstag, 18. Oktober 2016

Vorgeschichte Kapitel 15

15. Es kommt immer anders als man denkt

Eilin


Tief stand die Sonne bereits am Firmament, war schon fast im Horizont versunken und tauchte alles in ein orangerotes, warmes Licht. Sie hätte gerne behauptet leises Grillenzirpen durch die geschlossenen Fenster zu hören, doch dieses Haus war so extrem schallisoliert dass man es wohl nicht mal gehört hätte wenn vor davor eine Atomexplosion stattgefunden hätte. Ja, das war natürlich nicht ganz so idyllisch wie Grillenzirpen aber passte irgendwie auch besser zu ihrer momentanen Lage. Wenigstens war das Klima ausgesprochen angenehm. 
Das wars dann aber auch schon. Sie fühlte sich so unendlich nervös und unruhig. Wie ein eingesperrtes Raubtier. Nicht dass sie ein Raubtier war aber das klang irgendwie einfach besser. Sie wollte kein Beutetier sein auch wenn sie sich irgendwie so fühlte. 
Heute Morgen noch hatte sie gedacht sie würde hierher kommen und Deirdre retten und alles würde wieder gut werden. Und jetzt saß sie hier an der Bar mit knurrendem Magen und einem nervösen Gefühl im Bauch. 



Nicht dass sie nichts zu essen bekommen hätte... Tyson hatte erstaunlicherweise sogar selbst etwas gekocht und es hatte unglaublich lecker ausgesehen und gut gerochen ebenfalls.
Deirdre hatte mit gutem Hunger gegessen und es sehr genossen. Sehr zu Eilins Beunruhigung... aber sie hatte Hunger gehabt und die Rothaarige hatte ja mittlerweile bereits feststellen dürfen dass der Kerl sich einigermaßen gut um sie gekümmert hatte. Sie allerdings... sie hatte das nicht essen können. Am Ende hatte er es irgendwie vergiftet oder Drogen rein gemischt oder so.
Tyson hatte sich auch noch köstlich darüber amüsiert wie sie unentwegt misstrauisch auf das Essen gestarrt und es nicht angerührt hatte. Nachdem sie ihn dabei beobachtet hatte wie er ein paar Bissen gegessen und sie daraufhin gefragt hatte ob sie keinen Hunger hätte und das auch noch in einer so amüsierten Tonlage, war er von ihr mit misstrauischen Blicken nur so aufgespießt worden.
Natürlich war sie nicht ganz dumm und hatte dann gefragt ob sie seinen Teller haben dürfe weil ja... sie vertraute ihm eben nicht. Noch viel belustigter hatte er ihn ihr sogar hingeschoben und sie aufmerksam dabei beobachtet wie sie argwöhnisch etwas von dem Essen auf ihre Gabel geschaufelt hatte.
Nur um dann als sie es sich gerade in den Mund hatte schieben wollen, ganz beiläufig und noch viel belustigter anzumerken, dass das auch vergiftet sein könnte und es ja möglich wäre dass er ihre Reaktion vorhergesehen hatte nur um dann ein paar Bissen von seiner Portion frei von Gift zu lassen.
Logischerweise war ihr der Hunger danach gänzlich vergangen und sie hatte nichts mehr angerührt. Dieser verdammte grausame Verbrecher. Er hatte sie sogar ausgelacht als sie ihm den Teller zurückgeschoben und sich mit verschränkten Armen zurückgelehnt hatte. Selbst das Getränk hatte sie nicht angerührt welches er ihr hingeschoben hatte. 
Das einzige was sie hier trank war Leitungswasser welches sie sich selbst herausließ in ein Glas welches sie sich ebenfalls selbst aus einem der Schränke herausgesucht hatte. Deirdre hatte sie natürlich gefragt warum sie denn nichts essen wollte und dass 'Mr. Verbrecher' sie nur ärgern wollte. Aber das beruhigte sie auch nicht wirklich und deshalb hatte sie dem kleinen Mädchen einfach nur gesagt dass sie keinen Appetit hatte. 
Entsprach ja so gesehen durchaus der Wahrheit. Auch wenn es wohl eher daran lag, dass sie nicht vergiftet oder unter Drogen gesetzt werden wollte. Etwas was sie dem Kerl durchaus zutraute. Dass er sie auch einfach überwältigen und ihr eine Spritze geben könnte wenn er es denn wirklich gewollt hätte, daran dachte Eilin natürlich nicht. Sowas passierte doch schließlich auch nur in Filmen. Dachte sie zumindest. Lucy hätte ihr da wohl ein ganz anderes Lied davon singen können. Aber das wusste sie schließlich nicht.
Gerade stieß sie noch ein erschöpftes, resigniertes Seufzen aus, als sie plötzlich warme, große Hände auf ihren Schultern und heißen Atem in ihrem Nacken spürte. "Eilin~"


Sie konnte ein kurzes Erschauern und die aufkommende Gänsehaut nicht gänzlich unterdrücken als sie mit einem erschrockenen, spitzen Aufschrei von ihrem Barhocker sprang.
Oder es zumindest versuchte. Das Ergebnis bestand nur leider darin, dass sie mit ihren Knien gegen die Theke stieß, rückwärts stolperte, sich NATÜRLICH im Hocker verhedderte und wohl rückwärts und äußerst unbequem auf dem Boden gelandet wäre.
Statt allerdings innige Bekanntschaft mit dem harten Holz zu machen, prallte sie gegen den nicht ganz so harten Oberkörper Tysons, der geistesgegenwärtig auch gleich noch unter ihren Armen durch langte um sie am runterrutschen zu hindern. Leises, kühles aber dennoch ausgesprochen amüsiertes Lachen erklang, dicht gefolgt von seiner ebenso klingenden Stimme. 
"Wirklich unterhaltsam wie viel Angst du plötzlich vor mir hast obwohl du heute Vormittag noch so mutig warst."
Hastig wollte sie sich aus dem Griff des Älteren befreien, bewirkte mit ihrer Gegenwehr allerdings lediglich dass die Arme sich fester um sie schlangen und sie nun gegen den warmen Körper drückten. Leise, in kühler aber irgendwie rauer Tonlage raunte er ihr von hinten ins Ohr, ließ sie seinen heißen Atem abermals nur allzu deutlich auf der Haut spüren.
"Wo willst du denn hin?"


Was sollte das?! Hitze und Kälte stiegen gleichermaßen in ihr auf, das atmen wurde ein wenig schwerer und sie hatte das Bedürfnis um sich zu schlagen und sich irgendetwas über den Kopf zu ziehen.
Wahrscheinlich war die aufkommende Panikattacke welche die Rothaarige gerade drauf und dran war zu bekommen, der Grund aus dem Tyson sie augenblicklich, wenn auch nicht so schnell dass sie doch noch auf dem Boden gelandet wäre, wieder los ließ.
Trotzdem zeigte sich ein ausgesprochen amüsiertes, schmales Grinsen auf seinen Lippen als Eilin sich schnell ein paar Schritte entfernte, wieder zu ihm herum drehte und argwöhnisch mit zu Schlitzen verengten Augen zu ihm starrte.
"Ich hab keine Angst."
Das war so eindeutig eine Lüge dass Tyson offensichtlich nicht mal eine Notwendigkeit darin sah darauf zu antworten. Er zuckte lediglich mit den Achseln, wurde allerdings im nächsten Moment auch schon von dem Magenknurren der Rothaarigen abgelenkt, die direkt darauf auch schon gequält das Gesicht verzog.
Verdammter Hunger. Aber sie konnte hier nichts essen.
Ein kurzes Augenrollen des Brünetten später, verringerte dieser auch schon wieder den Abstand zwischen ihnen, legte seine Hände auf Eilins Schultern und drückte sie zurück auf einen der Barhocker. Allerdings war das so plötzlich gekommen, dass sie gar nicht dazu gekommen war sich zu wehren, nur ihr Herz hatte einen kurzen Satz gemacht und im Anschluss daran einen ganzen Deut schneller geschlagen.
Wortlos ging der Ältere um die Theke herum, angelte nach dem Essen welches sie heute Mittag noch verschmäht hatte und stellte es ihr zusammen mit einer Gabel vor die Nase. Der Sinn dahinter blieb Eilin allerdings verborgen. Nur weil ein bisschen Zeit vergangen war, änderte das doch nichts daran, dass das Zeug vergiftet sein könnte.
Da sie keine Anstalten dazu machte die Mahlzeit anzurühren, sah Tyson sich wohl dazu genötigt sich auf dem Hocker neben ihr niederzulassen, lehnte den Ellenbogen auf die Theke und die Wange gegen seine Faust und drehte sich dabei auch gleich noch mit dem Oberkörper in ihre Richtung.
Natürlich blickte auch die Rothaarige in die seine, lehnte sich dabei allerdings ein wenig zurück um so viel Abstand wie möglich zwischen sie zu bringen. Sehr zu seiner Belustigung wie sie leider bei einem Blick in sein Gesicht feststellen musste.
"Willst du gefüttert werden Angsthase?"


Kam da auch schon die unüberhörbar sarkastische aber doch sehr amüsierte Frage des Brünetten. Der verarschte sie doch. Verärgert und mit abermals zu Schlitzen verengten Augen zischte Eilin: 
"Von dir ganz sicher nicht."
"Und warum isst du dann nicht selbst?"
Ihre Verärgerung schien ihn nicht sonderlich zu beeindrucken, eher nach wie vor zu belustigen. Es war offensichtlich dass er sie nicht ernst nahm.
"Aus dem selben Grund wie heute Mittag! Weil es vergiftet oder voll mit Drogen sein könnte!"
Nun zog sich wieder dieses schmale, irgendwie kühle Lächeln über die vollen Lippen und in seinen Augen schien irgendetwas - Eilins Meinung nach - Unheilverkündendes aufzublitzen. Trotzdem wirkte er nach wie vor amüsiert. Vielleicht sogar noch mehr als zuvor.
"Das könnte es. Allerdings würde ich dich, wenn ich dich unter Drogen setzen wollen würde, einfach überwältigen und dir eine Spritze geben. Macht weniger Umstände und wirkt schneller."
Fassungslos starrte sie ihn an, wusste nicht so Recht was sie darauf erwidern sollte. War das sein Ernst? Sowas machte er doch nicht oder? Andererseits hatte er sie auch mit einer Pistole bedroht und zugegeben dass er auch jemanden umbringen würde... also warum sollte er sowas nicht auch tun...
"Vielleicht... hast du ja keine Spritze da..."
Brachte sie schließlich doch zögerlich und nun sichtlich verunsichert hervor, erntete dafür allerdings nur ein neuerliches amüsiertes Grinsen und etwas das wie eine unterschwellige Drohung klang. Also der Inhalt, nicht die Tonlage. Diese klang eher als würde er sich über sie lustig machen.
"Isst du nun oder nicht?"
"Ich... weiß nicht..."
Was? Was war das bitte für eine Antwort. Sie hätte nein sagen sollen. Aber sie hatte Hunger. Andererseits... er hatte sie entführt und mit einer Pistole bedroht und überhaupt war er kriminell und erpresste sie! Wer würde da nicht das Essen verweigern.
Argwöhnisch durfte sie nun beobachten wie Tyson nach ihrer Gabel griff, ein wenig in ihrem Essen herum stocherte und schließlich ein Stück verdammt lecker aussehendes Hühnchen aufspießte. Und dann hielt er es ihr allen Ernstes mit einem sarkastischen schmalen Grinsen vor den Mund als wolle er sie füttern.
"Sicher dass du nicht gefüttert werden willst?"


Noch verärgerter als sowieso schon, zog sie ihm auf diese mehr als nur sarkastische Frage hin mit Blicken die Haut ab und schürzte die Lippen, erntete dafür allerdings nur ein amüsiertes Kopfschütteln. Schön wenn er so viel Spaß in seinem Leben hatte.
Nachdem er nun wohl kapiert hatte, dass sie es nicht essen würde, hob er die Gabel an seinen eigenen Mund, nahm das Stück Hühnchen zwischen die Zähne, so dass die Hälfte davon noch heraus schaute, während die andere sich innerhalb befand. Sie konnte sehen wie er mit der Zungenspitze über den Teil in seinem Mund.... streichelte - anders konnte sie das wirklich nicht nennen - und wurde für einen kurzen aber entscheidenden Augenblick davon abgelenkt.
"Schmeckt wirklich gut~"
"... schön fümpf-"
Innerhalb von Sekunden hatte sie seine Hand in ihrem Nacken und wurde mitten im Satz unterbrochen als sich seine weichen Lippen so auf die ihren legten, dass der Teil des Fleisches der sich nicht in seinem Mund befunden hatte, jetzt seinen Weg in den Ihren fand. 
Das allerdings war es nicht was sie zur Salzsäule erstarren und die Augen fassungslos weit aufreißen ließ. 


Was... was... was passiert da gerade.... 
Für einen Augenblick hatte sie das Gefühl ihr Herz würde einfach stehen bleiben, sie vergaß sogar zu atmen so verblüfft und entsetzt war sie.
Irgendwo am Rande ihres Bewusstseins nahm sie wahr, wie er zubiss und dadurch die eine Hälfte von dem Hühnchen in ihren und die andere in seinen Mund fiel. Doch darüber konnte sie gerade nicht nachdenken, starrte den Kerl, der den Kopf nun wieder zurückgezogen und sich zurück auf den Barhocker gesetzt hatte, sie schmal lächelnd und höchst amüsiert musterte, einfach nur der Fassungslosigkeit verfallen an.
"Vergiss das Atmen nicht."
Als hätte ihr Körper nur darauf gewartet, setzte ihre Atmung wieder ein, klang schwer und fast so als wäre sie kurz davor zu hyperventilieren. 
Das hatte er gerade nicht getan. 
Und jetzt kaute er ganz entspannt als wäre überhaupt nichts gewesen auf dem Stück Hühnchen in seinem Mund herum. 
Ganz automatisch, ihn allerdings nach wie vor anstarrend, tat sie es ihm gleich, schluckte sogar einen Moment später wie er. Die möglichen Drogen und das Gift was er ins Essen gemischt haben könnte waren für den Augenblick vergessen. Der Hunger und der Rest des Essens allerdings auch. Gott sei Dank war Deirdre längst im Bett und hatte das nicht mit ansehen müssen! Das… das war eindeutig sexuelle Belästigung.
Das Amüsement verschwand nicht aus seinem Gesicht als er abermals leicht spöttisch, mit fast schon provozierendem Unterton zu sprechen begann.
"War das Beweis genug um essen zu können oder sollen wir es mit einem Stück Hühnchen deiner Wahl wiederholen?"
Wäre es möglich gewesen, wären ihr bei dieser Antwort wohl vor Entsetzen die Haare zu Berge gestanden. So allerdings durfte Tyson sich mit einem vollkommen schockierten Blick begnügen in dessen Folge Eilin überhastet ihren Teller schnappte, ihm die Gabel aus der Hand riss und sich an den Tisch flüchtete. Allerdings so, dass sie dem Älteren zugewandt saß und das große Möbelstück sich zwischen ihnen befand. Nur zur Sicherheit.
Zur Antwort bekam sie nur ein kühles, spöttisches Lachen in dem aber nach wie vor eine ganz gewaltige Portion Belustigung mitschwang. Darüber allerdings konnte und wollte sie gerade nicht nachdenken, begann nur rasch zu essen, ließ Tyson dabei jedoch keine Sekunde aus den Augen.
Dieser hatte sich vollkommen entspannt komplett ihr zugewandt, lehnte mit dem Rücken gegen und hatte die Unterarme hinter sich auf der Theke abgestützt und beobachtete sie. Es machte sie nervös. Dieser aufmerksame, fast schon forschende Blick. Warum starrte er sie so intensiv an?! Nein das gefiel ihr nicht. Ganz und gar nicht.


Als sie gerade so die Hälfte ihrer Mahlzeit hinter sich gebracht hatte, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Hatte er DAS gemeint mit der Aussage heute Morgen? Wollte er sie deshalb lieber ungebunden hier haben?! Der Gedanke schockierte sie so sehr, dass sie sich an ihrem Essen verschluckte und hustend nach Luft röcheln musste.
Tyson hob nur wieder belustigt eine Augenbraue, schwieg allerdings. Sollte er nur schweigen. Am besten für immer. 
"Das kannst du vergessen.", fauchte sie mit zu Schlitzen verengten Augen und versuchte ihr Abendessen noch schneller herunter zu schlingen. Zur Antwort bekam sie jedoch wieder nur ein leichtes heben der Augenbraue, gefolgt von einem schmalen nach wie vor amüsierten Lächeln.
Am liebsten hätte sie ihm das Essen ins Gesicht geworfen und wäre aus dem Fenster gesprungen. Nur leider war zumindest letzteres nicht möglich und daher wäre wohl auch ersteres ausgesprochen kontraproduktiv. Mal ganz davon abgesehen, dass sie Deirdre hier nicht alleine zurücklassen würde.
Glücklicherweise ließ er sie während dem Essen in Ruhe, sagte nicht einmal etwas als sie - mit großem Bogen an ihm vorbei gehend - ihren Teller wegräumte und sich in einen anderen Raum verzog. Am liebsten wäre sie ja ins Wohnzimmer gegangen aber dort schlummerte Deirdre friedlich vor sich hin. Folglich verbrachte sie die nächste Stunde damit alleine in... ja... seinem Schlafzimmer zu sitzen.


Ob das jetzt so eine gute Wahl gewesen war blieb zu bezweifeln aber ein anderer Raum war nicht zur Verfügung gestanden. Das Wohnzimmer war von Deirdre besetzt, in der offenen Küche fühlte sie sich wie Freiwild und die Badezimmer und der Fitnessraum waren nicht sonderlich bequem wenn man nicht gerade das tat wofür sie eben vorgesehen waren.
Ansonsten gab es nur noch zwei Räume und die waren im Augenblick abgeschlossen. Langsam aber sicher fragte sie sich schon wo sie schlafen sollte... sie konnte ja wohl kaum in der Badewanne die Nacht verbringen.
Die Antwort darauf sollte sie nur allzu bald erhalten.

Tief in ihre Gedanken versunken, die Arme um ihre an den Körper gezogenen Oberschenkel geschlungen, das Kinn auf die Knie gebettet, saß sie am Kopfende des Bettes, als das Geräusch der Tür sie aufschreckte. 
Ruckartig wandte ihr Kopf sich in Richtung des Geräusches, beobachtete sie wie Tyson, der mittlerweile nur noch eine Wadenlange Jogginghose und ein schwarzes Tanktop trug, vollkommen ruhig den Raum betrat und ihr einen undefinierbaren Blick zuwarf. Er wirkte kühl, nicht unbedingt unfreundlich oder etwas in der Art aber leider eben auch nicht wirklich zu deuten. Und das beunruhigte Eilin.
Was sie noch mehr beunruhigte war, wie er sich umwandte und das Zimmer abschloss. Andererseits hatte er das beim Wohnzimmer auch getan, damit Deirdre nicht in der Nacht durchs Haus wanderte und wer weiß was anstellte. 
Nun das war wohl keine so dumme Entscheidung gewesen, immerhin waren sie ja Geiseln. Gefallen tat es ihr aber wie zu erwarten trotzdem nicht. Und noch weniger gefiel ihr, dass sie nicht mal alleine sondern mit ihm zusammen in einem Raum eingesperrt war.
Erinnerungen an das Essen vorhin tauchten vor ihrem inneren Auge auf, jagten ihr einen kurzen, unbestimmten Schauer über den Rücken. Der würde doch nicht... oder...? Aber wie schon vorhin bei der Aussage mit der Spritze, musste Eilin sich eingestehen, dass sie nicht wusste was ihm zuzutrauen war und was nicht.
Mit Argusaugen beobachtete sie wie Tyson schweigend durch das Zimmer schlenderte und ein schwarzes Hemd aus dem Schrank heraus kruschte. Was sollte das werden wenn es fertig war? Wollte er sich seine Kleidung für morgen vorbereiten oder was? Hose holte er aber keine aus dem Schrank sondern machte sich jetzt auf den Weg um das Bett herum, ließ seine Schuhe davor stehen und begab sich in eine lockere Sitzposition neben sie, natürlich ihr zugewandt. Eilins erste Reaktion bestand darin bis an den Rand des Bettes zu rutschen und ihn mit misstrauischen Blicken geradezu anzustarren. 


Die Situation machte ihr Angst. Nicht so als würde irgendein gefährliches Tier sie anknurren oder als wäre ein zähnefletschendes Monster hinter ihr her aber... es war doch eine ganz starke nervöse Unruhe.
"Hier, du wirst wohl kaum in der Jeans und dem Shirt schlafen wollen mit denen du den ganzen Tag rumgelaufen bist."
Starr fiel ihr Blick auf das Hemd welches ihr nun hingehalten wurde. Was...? Dachte der allen Ernstes sie würde sich hier ausziehen?! Niemals. Am liebsten hätte sie sich sogar noch ihren Pulli - der leider unten im Wohnzimmer lag - und einen dicken Skianzug angezogen nur damit der sie bloß nicht anfassen konnte.
Ein Blick in sein Gesicht verriet ihr, dass ihre Gedanken ihr wohl deutlich ins Gesicht geschrieben standen. Wütend wirkte er zwar nicht aber sie konnte für einen Moment eine gewisse... Missbilligung in seinen Augen aufblitzen sehen. Diese wurde jedoch sehr schnell von einem seiner typischen schmalen Lächeln abgelöst. Einem unheilvoll schmalen, amüsierten Lächeln.
"Na schön."
Hauchte er ihr in fast schon süffisantem Tonfall zu und ehe sie sich's versah, wurde sie auch schon an den Fußgelenken gepackt und mit einem schnellen Ruck unter ihn befördert, begleitet von einem erschrockenen Aufschrei ihrerseits. Auf einen Schlag wollte ihr das Herz wieder regelrecht aus der Brust springen und ein leises Panikgefühl breitete sich lähmend in ihrem Körper aus.


Sie spürte seine warmen Fingerspitzen wie sie seitlich langsam unter ihr Shirt glitten, es Zentimeter für Zentimeter nach oben schoben während seine Lippen sich so nah an ihrem Ohr befanden dass sie seinen heißen Atem auf der Haut spüren konnte.
"Sag es doch gleich wenn du Hilfe brauchst."
Ein heißer Schauer zog ihr über den Rücken während sich eine intensive Gänsehaut auf ihrem gesamten Körper ausbreitete. Oh Gott, das passierte gerade nicht wirklich. Nach wie vor in Schockstarre gefallen konnte sie gar nicht richtig reagieren, blieb einfach reglos - naja bis auf die kurzen Schauer hier und da zumindest - unter ihm liegen und wünschte sich, dass das alles nur ein Traum war.
Wobei sie zugeben musste, dass es nicht unbedingt ein unangenehmes Gefühl war wie seine Fingerspitzen mit kaum mehr als dem Hauch einer Berührung über ihre Arme strichen beim hochschieben des Shirts. Trotzdem änderte das nichts daran was - ein Verbrecher - er war und weshalb - sie war eine Geisel - sie hier war. Mal ganz davon abgesehen dass er ihre Tochter und ihre beste Freundin ebenfalls entführt, sie erpresst und bedroht hatte!
Wenigstens trug sie unter dem Shirt noch eine Art zierliches hellblaues Unterhemd welchem er seltsamerweise keine weitere Beachtung schenkte. Stattdessen rutschten seine Hände, dabei ihre Seiten sacht berührend, weiter nach unten bis zu ihrem Hosenbund.
Als sie spürte wie seine Finger an dem Knopf und Reißverschluss herum nestelten, kam die Panik unbarmherzig zurück und sie griff sofort nach seinen Handgelenken, wollte die Hände beiseiteschieben. Viel Erfolg hatte sie dabei nicht, stattdessen spürte sie nur seine Lippen an ihrem Hals, den heißen Atem abermals an ihrem Ohr und wusste gar nicht mehr wo ihr der Kopf stand, verstand nicht einmal die Worte die er ihr leise zuflüsterte.
Sie spürte wie seine Daumennägel beim herunter schieben der Jeans leicht über ihre Haut an den Oberschenkeln entlang strichen, solange bis die Hose schließlich auch noch weg war. 
Im nächsten Augenblick hatte er auch schon eines ihrer Handgelenke gepackt und schob es mittels sanfter Gewalt... in den Ärmel des Hemdes. 
Was? Sie war so durch den Wind und verwirrt dass sie überhaupt nicht mehr wusste was hier gerade überhaupt geschah, atmete nur schwer und schnell während ihr Puls sich gar nicht mehr beruhigen wollte.
Aus großen, weit aufgerissenen Augen starrte sie Tyson an als dieser allem Anschein nach bewusst langsam die Knöpfe des Hemdes, von unten nach oben, zuknöpfte. Seine Lippen waren nun nicht mehr an ihrem Hals, allerdings hatte er ihren Körper mithilfe des Hemdes nah zu dem seinen gezogen und auch ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt.
Als er gerade scheinbar den letzten Knopf den er vorgehabt hatte zu schließen hinter sich gebracht hatte, hielt er sie noch einen Augenblick am Stoff des Hemdes fest, warf ihr einen sehr kühlen Blick zu und auch die Missbilligung darin war nun kaum mehr zu übersehen. Sicher, in seiner Stimme lag wie schon die ganze Zeit ein deutlich amüsierter Klang und doch war es unübersehbar, dass ihm irgendetwas deutlich gegen den Strich gegangen war. Seiner Aussage nach zu urteilen war wohl auch ziemlich klar was.
"Ich bin kein Vergewaltiger."


Und damit ließ er sie auch schon einfach los, so dass sie mit dem Oberkörper zurück aufs Bett fiel, wandte sich von ihr ab und hatte sich ganz offensichtlich dazu entschieden jetzt zu schlafen. Ohne sie weiter zu beachten. 
Was...
Vollkommen verdattert und mit einem bis zum Hals schlagenden Herzen blieb sie einfach liegen, starrte stumpf an die Decke und fragte sich was da gerade passiert war. Und warum zur Hölle SIE gerade das Gefühl hatte sich falsch verhalten zu haben.

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